Storageroom

Das Caleb mit einem Dämon wie Adrian befreundet war, gefiel Lili ganz und gar nicht. Erst recht nicht die Tatsache, dass er ihn sogar als ‚guten Freund‘ bezeichnete. Einen richtigen Schock bekam sie jedoch, als er sie plötzlich nach dem Grund ihres Wegganges fragte. Damit hatte sie nicht so wirklich gerechnet. “Uhm … ich…“ stotterte sie, bevor sie einmal tief ein und aus atmete und sich dann scheinbar wieder gefasst hatte. „Ich habs einfach nicht mehr in Ipswich ausgehalten. Alles hat mich an meine Familie erinnert und die Leute haben mich wie ein rohes Ei behandelt.“ seufzte sie. „Und ich wollte dir nicht noch weiter auf die Nerven gehen mit meinem Geklammer.“ Ja sie hatte nach dem Angriff und dem Tod vieler Familienmitglieder geradezu an Caleb geklebt. Sie hatte eben schon von klein auf eine enge Bindung zu dem jungen Mann empfunden und war schon immer eher zu ihm geflüchtet, statt sich ihrer eigenen Familie zuzuwenden. Vermutlich rührte das daher, dass Lili ohne Vaterfigur aufgewachsen war und sie den vier Jahre älteren Caleb daher schon früh als männliche Bezugsperson gesehen hatte.
Erneut seufzte sie und strich sich gerade eine Haarsträhne aus dem Gesicht, als er sie plötzlich und offensichtlich spontan umarmte. Ohne dass sie es groß beeinflussen konnte, schmiegte sie sich an ihn und schlang ihre Arme um ihn. Erst jetzt bemerkte sie, wie viel ihr bester Freund wirklich an Muskelmasse zugelegt hatte. Doch die Überraschung ließ sie sich nicht anmerken.
„Ich hab dich vermisst!“ platzte es schließlich unerwartet aus ihr heraus, weshalb sie sich auch sogleich auf die Zunge biss. Halt doch die Klappe, du blöde Kuh! zischte sie sich innerlich selber an. Das ihr Zeitgleich eine Träne von ihm auf den Kopf tropfte, bemerkte die junge Frau nicht.

Einen Moment lang standen die beiden so einfach nur da. Schließlich brach Lilith aber das Schweigen, mit einer Frage, die sie eigentlich schon die ganze Zeit stellen wollte: „Wie lange bleibst du hier?“
Ob er wohl bemerken würde, dass ihre Stimme einen ängstlichen Ton angenommen hatte? Dass sie ihn nicht wieder gehen lassen wollte?
Lilith Malanie Jackson, schlag dir diesen Kerl endlich aus dem Kopf. Er ist dein bester Freund und mehr wird da nie sein! schimpfte sie innerlich mal wieder mit sich selbst. Etwas, dass sie schon seit Jahren tat, jedoch noch nie Wirkung gezeigt hatte.
Selbst als sie damals in ihrer prinzipiell glücklichen Beziehung mit ihrem inzwischen verstorbenen Verlobten David gewesen war, hatte sie die Schwärmerei für Caleb nie vollständig loswerden können.
Und so langsam glaubte Lili, dass sie vermutlich auch nie über ihn hinweg kommen würde.

Das er sie auch vermisst hatte, ließ ihr Herz kurzzeitig schneller schlagen. Aber sie war wirklich bemüht, dies zu unterdrücken.
Ihr fiel aber auf, dass seine eiskalte Maske wieder einmal mehr kurz verwischte, aber wirklich nur sehr kurz. Die vertraute Umarmung und seine zärtliche Geste lenkte sie aber kurzzeitig wieder ab und veranlasste Lili sich noch mehr an ihn zu schmiegen. Sie genoss einfach seine Nähe und wollte ihn am liebsten nicht wieder gehen lassen.
Als er sie wieder los ließ und ihr antwortete, dass er spätestens wenn seine Pflichten als Zirkelführer und einer der stärksten Magier von Ipswich wieder riefen in die Heimatstadt zurückkehren würde, wurden ihre Augen traurig und leicht glasig. Nein sie wollte ihn wirklich nicht wieder gehen lassen. Sie mochte es einfach nicht von ihm getrennt zu sein, aber sie konnte und wollte auch nicht wieder nach Ipswich zurückkehren.
Wieder blieb sein Gesicht eiskalt und maskenhaft und diesmal reichte es ihr.
Sie hob den Arm und strich ihm über die Wange. „Caleb was ist los mit dir? Warum lachst du nicht mehr?“ sie sah ihn besorgt an und ließ den Arm langsam wieder sinken. „Was ist mit dir passiert als ich weg war? Warum bist du so bemüht eiskalt?“ sie sah ihn mit ihren glasigen und sehr traurigen Augen an, hatte den Kopf leicht schräg gelegt. „Ich vermisse dein Lächeln…“
Lilith hatte sichtlich mit den Tränen zu kämpfen, bemühte sich aber so gut sie nur konnte, nict auf der Stelle los zu weinen.

Das Verhalten ihres besten Freundes verwirrte Lili. Einerseits war er bemüht eiskalt zu wirken, andererseits waren da immer noch diese Momente, in denen Ihr Caleb wieder durchkam. Ein mattes, freches Lächeln, eine sanfte Berührung oder die vertraute Umarmung. Aber immer wieder nahm er dann diese abwehrende und betont gefühllose Haltung ein. Aber warum?
Auch das behauptete es sei nichts mit ihm, half nicht gerade dabei, Lilis mulmiges Bauchgefühl verschwinden zu lassen.
Plötzlich sprach er von Veränderungen in Ipswich und trat von ihr weg an den Türrahmen.

Lili trat wieder an ihn heran, so das die beiden beinahe Bauch an Bauch standen und begann mit seinem Shirt zu spielen, wie sie es meist tat, wenn sie versuchte ihn zu etwas zu überreden.
Seinen Versuch das Thema zu wechseln einfach ignorierend, hakte sie weiter nach, was seine Aussage über Ipswich betraf:
„Was ist denn passiert?“ sie sah zu ihm auf, suchte Augenkontakt, während ihre Augen noch immer traurig und glasig waren; die Tränen kaum noch zu unterdrücken. „Wen muss ich verfluchen, weil er mir meinen Caleb weggenommen hat und was mus ich tun um ihn wieder zu kriegen?!?“ ein mattes Lächeln huschte über ihr Gesicht, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Ihre Wangen nahmen einen sanften Rotton an, und sie wandte ihren Blick hinunter auf sein T-Shirt.
Hatte sie ihn gerade allen Ernstes ‚ihres Caleb‘ genannt!? Ja war sie denn nun völlig verrückt?!
Der Kerl wird niemals ‚dein Caleb‘ sein! rief sie sich selber die Realität in Erinnerung zurück, kommentierte ihre Aussage aber nicht weiter.

Caleb ging wieder auf Abstand, schien ihr auszuweichen. Lilith wurde klar, das tatsächlich etwas Entscheidendes passiert sein musste, dass Caleb so verändert hatte.
Klar er war noch nie einer dieser ‚perfekter-Schwiegersohn‘-Typen gewesen, doch zumindest ihr gegenüber hatte sich Caleb bisher immer völlig anders gezeigt.
Jetzt hatte sie das Gefühl, sie stand vor einem Fremden.
„Cal, was ist los? Ich hab das Gefühl, ich kenn dich gar nicht mehr!“ sie seufzte. „Jetzt sag schon, was ist in Ipswich passiert? Nur weil ich weggegangen bin, heißt das nicht, dass ich mich nicht mehr für euch und das was in Ipswich passiert interessiere!“ eine Klarstellung, die ihr wichtig erschien, offensichtlich aber auch einmal erfolgen musste. „Hat das was mit Adrian zu tun? Wie hast du ihn überhaupt kennen gelernt?“. Da Caleb offensichtlich auf Abstand zu ihr gehen wollte, beschloss Lilith es ihm gleich zu tun. Stattdessen entnahm sie dem Karton neben ihr ein paar Zutaten und beschriftete das Glas daraufhin, bevor sie es schließlich in das Regal vor sich stellte.
Caleb machte einen auf eiskalt, und wollte offensichtlich Abstand, also hielt sie den Abstand eben ein. Ok zugegeben es fiel ihr wirklich schwer, weil sich die beiden schon immer sehr nahe gewesen waren, doch sie würde sich so gut es ging bemühen.

Als Caleb sie anfuhr sie solle ihn nicht Cal nennen, zuckte sie kurz kaum merkbar zusammen. Hatte sie ihn so früher schließlich meistens genannt, dennoch ließ sie es unkommentiert.
Aber überhaupt machte ihr der neue Caleb Angst und bereitete ihr Sorgen. Er versuchte sie auf Abstand zu halten und das machte sie verrückt. Die beiden hatten sich schon als Kinder sehr nahe gestanden und Caleb war wie ein großer Bruder eben immer für sie da gewesen. Aber jetzt, jetzt schien es wirklich so, als stände ein völlig Fremder vor ihr. So betont kalt und herzlos.
Mal ganz zu schweigen von der Sache mit dem Dämon Adrian Dialo.
Früher hätte er sich nie mit einem Dämon eingelassen, nicht ohne einen guten Grund.
Dann musst du jetzt also nur noch den Grund heraus finden, Lili! dachte sie sich.
Gerade als sie für ihre erste Frage ansetzen wollte, wandte er sich von ihr ab, drehte ihr seinen Rücken zu. Eine Geste, die zwar anzudeuten vermag, dass er sich wirklich von ihr abwandte, aber gleichzeitig auch ein Beweis dafür war, dass sie noch immer sein Vertrauen genossen, drehte er schließlich sonst niemals jemanden den Rücken zu. Während sie dies innerlich feststellte, wuchs der Drang in ihr, sich ihm wieder zu nähern und ihn in den Arm zu nehmen. Doch Caleb schien aus welchem Grund auch immer genau dies nicht zu wollen, also unterdrückte sie den Drang weiter.
Stattdessen beschloss sie sich als nächstes an die alten und schweren Bücher zu machen. So kletterte sie knapp neben Caleb über ein paar Kartons und machte sich dann dabei, diese aus dem Weg zu schieben, damit sie den schweren Karton mit den Büchern zum Regal im Ausstellungsraum ziehen konnte. Zum Glück hatte Caleb ihr den Rücken zugewandt, denn es sah vermutlich wirklich amüsant aus, wie Lilith sich mit vollem Körpereinsatz bemühte den vollen Karton vom Fleck zu bewegen. Das witzigste war aber vermutlich, dass sich das scheiß Ding nur mühsam und auch nur kleine Stücke bewegen ließ.
Nach ein paar Minuten des mühsamen Versuchens unterbrach sie den Versuch daher und pustete sich erst einmal die ihr ins Gesicht gefallenen Haarsträhnen aus dem Gesicht.
„Warum zum Teufel musste eigentlich ausgerechnet ich eine derart passive Fähigkeit kriegen!?“ fluchte sie leicht außer Atem und mit den Händen in die Hüfte gestemmt. Dass sie laut und nicht nur wie geplant in Gedanken geflucht hatte, bemerkte sie aufgebracht wie sie war gerade nicht.

Als Caleb sich ihr wieder zuwandte und sie plötzlich von der Stelle hob und an einer anderen wieder abstellte, war Lili überrumpelt und schaute einen Moment lang verwirrt aus der Wäsche. Eigentlich hasste sie es, wenn er sie einfach durch die Gegen hob und stellte als wäre sie eine Puppe, aber dieses Mal würde sie es ihm kommentarlos durchgehen lassen, schließlich war sie froh, dass sich überhaupt etwas von dem alten Caleb zeigte.
Doch eine Antwort dauerte trotzdem einen Moment, erst als sie sich wieder gefangen hatte, deutete sie auf die Stelle an der sie den Karton benötigt. „Dorthin bitte!“ fügte sie dann noch leise hinzu.
Nach einem kurzen Räusper fügte sie dann endlich eine Frage hinzu, die ihr schon länger auf der Zunge lag: „Hast du schon eine Unterkunft in der Stadt??“ sie hatte die Frage nahezu heraus geschmissen, schnell, damit sie es sich nicht noch einmal überlegen konnte.
Anschließend sah sie sich noch einmal im Lager um. Der Tisch in der Mitte des Lagers fiel ihr dabei sofort ins Auge. Ja noch war er mit Büchern, Säckchen und der gleichen vollbepackt, doch er würde sich im Ausstellungsraum perfekt machen. Zubehör wie Mörserschüsseln, Kristalle und kleinere Bücher würden sich darauf sicherlich genauso gut machen wie Kerzen. Ja Lili sah die Dekoration schon ganz genau vor sich.